Design Thinking im Remote-Team

Mein erster MOOC: Konzept für die Stadt der Zukunft


Ein MOOC ist ein Massive Open Online Course, ein Online-Kurs für die Massen, offen für alles und jeden. Als ich zufällig davon Wind bekam, dass die Leuphana Digital School in Lüneburg Anfang 2013 den allerersten Kurs dieser Art in Deutschland starten würde - noch dazu zum Thema "Stadt der Zukunft" und unter Leitung des berühmten Architekten Daniel Libeskind, habe ich mich aus Neugier sofort registriert. Ich wollte lernen, wie es sich anfühlt, einen kreativen Konzeptfindungsprozess mit einem Team zu durchlaufen, das per Zufall zusammengewürfelt wird und seine Zusammenarbeit ausschließlich online praktiziert.

 

 

Maschinenteams

 

Fünf Stunden pro Woche gab ich an als das Zeitmaß, das ich zur Verfügung stellen könnte. Und als es losging mit dem Kurs „ThinkTank - Ideal City of the 21st Century“, wurde ich aufgrund meiner Profilangaben automatisch einem Fünfer-Team zugewiesen. Drei Ladies und zwei Herren fanden zusammen - allesamt berufstätig, wie sich bald herausstellte. In der aktiven Kommunikation fiel unser zweiter Herr allerdings eher durch Schweigen aus. Nach tastenden Versuchen im Umgang mit Online-Kommunikationstools blieben wir einfach bei Massen-E-Mails und der Wiki-Seite, die uns Leuphana auf ihrer Plattform als Publikationsinstrument anbot. Facebook, Skype oder Google Docs blieben in meinem ersten Team weitgehend ungenutzt. Doch auch mit Low Tech Kommunikation wurde durch die Gruppendynamik bald klar, wer welche Rolle in unserem Team spielen würde. 

 

 

In sieben Schritten zum Konzept

 

Insgesamt sieben Aufgaben hatten wir zu bestehen. Jede Aufgabe gliederte sich in eine Arbeitsphase, die wir über vorgegebene Leseangebote vorbereiten sollten, eine Review-Phase, in der alle Teilnehmer alle Vorschläge bewerten konnten, und einer finalen Bewertungsphase durch das Leuphana-Team, die mit der Vergabe einer Note (Grade) endete. Jede Aufgabe (Assignment) baute konzeptionell auf der vorhergehenden auf. Dabei führte unser Weg von der Ist-Analyse bestehender Städte über einen historischen Blick zurück zu den Themen Vision, Planung, Szenarien bis hin zur Visualisierung unserer städtebaulichen Vision. 

 

 

Bleiben oder wechseln?

 

Es dauerte nicht lange, bis der erste Konflikt in unserem Team ausbrach. Ich kann mich gar nicht mehr an den Auslöser erinnern. Ich hatte wohl auch erheblichen Anteil daran, denn ich hatte etwas falsch verstanden bzw. nicht genau gelesen. Auf Grundlage dieser Fehlannahme hatte ich im letzten Augenblick erhebliche Änderungen an dem Text gemacht, den wir abzugeben hatten. Die anschließende Auseinandersetzung per E-Mail bremste meinen Elan merklich ab. Nach den ersten beiden Aufgabenrunden gab es die Möglichkeit, das Team zu wechseln. Keine ganz einfache Entscheidung, erforderte sie doch eine klare Entweder-Oder-Entscheidung. Ein Klick auf das neue Team, und das alte Team war verlassen, ohne Garantie, jemals wieder dahin zurückkehren zu können. Was also tun? Erst mal Ausschau halten. Schon am nächsten Tag hatte sich ein ungewohntes Raunen im Forum der Leuphana-Plattform entwickelt. Jeder war auf Brautschau und pries sein Team oder sich selbst an. Mir gefiel der Pitch von Grischa, einem Geographen aus München. Er war emotional und idealistisch, daher nannte er sein Team auch "The Idealists". Ich bewarb mich bei Grischa und José, einem Planungsingenieur aus Porto, der Grischa noch aus der ersten Teamrunde die Treue gehalten hatte. Für mich war klar, dass Grischa der Initiator und Anführer unseres Teams war. Ich empfahl, noch nach zwei Damen Ausschau zu halten, um ein möglichst gemischtes Team aufzubauen. Grischa war der gleichen Meinung, und nach einigem Hin und Her stießen noch Ann-Kathrin, angehende Medizinerin aus Dresden, und Gudrun, Unternehmensberaterin aus Lübeck, zu unserem illustren Kreis. 

 

 

Im zweiten Anlauf zum Powerteam

 

Mein zweites Team funktionierte von Anfang an viel besser. Wir erweiterten unseren Tool-Gebrauch schnell auf Google Docs und Skype, und unsere Teamsprache wurde Englisch. Wir führten sehr wertschätzende Diskussionen per Chat und Video-Skype, die immer mit einem Commitment endeten, wer was als nächstes tun würde. Das war durchaus unterschiedlich. Je nach persönlicher Verfügbarkeit wurde die Arbeit mal hierhin, mal dorthin verlagert. Ich konnte mein Talent als Moderator wirken und walten lassen, Ann-Kathrin liebte die Sprache, Grischa die Diskussion, José die Zahlen, Gudrun den Ausgleich und die Internationalität. Unsere anfängliche Begeisterung ließ etwas nach, als es durch die höheren Aufgabenstufen ging, aber bei uns allen blieb der Wille erhalten, diesen Aufgabenmarathon bis zum Ende durchzustehen. 

 

 

Ko-kreativ zu Aphaea City

 

Gemeinsam schufen wir die Agrarstadt Aphaea. Unsere städtebauliche Utopie, benannt nach einer griechischen Göttin für Fruchtbarkeit und Ackerbau, sah eine grüne, soziale "Adaptive City" mit agiler Internet-Demokratie vor. Leider gehörten wir mit Aphaea nicht zu den siegreichen Teams. Doch wir hatten am Ende alle die Erfahrung gemacht, dass ein kreativer Konzeptfindungsprozess im Design Thinking-Modus auch online funktioniert - allerdings nur dann, wenn das Commitment der Team-Mitglieder gleich verteilt ist, die Kommunikationskultur einen Wechsel zwischen divergenten und konvergenten Phasen verkraftet. Eine große Erleichterung sind die vielen praktischen Internet-Tools, allen voran Google Docs - allerdings nur dann, wenn sie von allen Teammitgliedern gleichermassen akzeptiert und genutzt werden. 

 

Zweifel blieben an der didaktischen Konzeption von Leuphana. Modern waren die selbstorganisierten Teams und komplette Abwicklung des Kurses über die Leuphana Online-Plattform, traditionell die Lehrmethode, den Stoff und auch die Vorgehensweise vorzugeben, anstatt auf Ergebnisse zu fokussieren. 

 

Übigens: Aphaea City kann man nach wie vor auf Facebook besuchen ... 

 

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