Ein Design Thinking-Workshop macht Spaß. Die Lösungsansätze überzeugen. Alle sind begeistert. Jetzt soll die Organisation insgesamt innovativer werden und Design Thinking in ihre DNA
aufnehmen. Aber wie macht man das? Stefan Haas und ich haben es ausprobiert - auf dem mittlerweile 4. Design Thinking Barcamp.
Warum Lean Change?
Im digitalen Internet-Zeitalter entwickelt sich das Marktumfeld schneller denn je. Organisationen brauchen daher die Fähigkeit, sich ebenso schnell an die veränderten Umfeldbedingungen
anzupassen. Schwergewichtige Change-Programme “von oben” sind langsam und bringen nur selten den gewünschten Erfolg. Veränderungen sollten daher gezielt auf Grundlage schlanker, wirksamer
Lösungen angegangen werden, die die Betroffenen aus ihrer Problemlage heraus selbst entwickelt haben. Mit dem Tool Set, das wir für den Lean Change Cycle vorschlagen, bekommen Teams einfache
Werkzeuge an die Hand, mit denen sie Veränderungen selbstorganisiert, systematisch und wirksam angehen können.
Vier Zutaten für erfolgreiche Veränderung
In unserer Workshop-Session “Co-Design your Organization” haben wir mehrere Konzepte kombiniert. Im MIttelpunkt stand dabei unsere Überzeugung, dass Organisationen, die sich an das Tempo des Internet-Zeitalters anpassen müssen, andere Werkzeuge der Veränderung brauchen als ein neues Organigramm oder eine fein ausgeklügelte Prozessdokumentation. Sie brauchen gelebte Veränderung von unten, die aus dem Zusammenwirken aller Beteiligter entsteht, und eine Politik der kleinen Schritte, die genügend Luft lässt, um sich kurzfristig an neue Umfeldbedingungen anzupassen.
1. Kulturebenen-Modell
Grundlage unserer Überlegungen ist das Kulturebenen-Modell, mit dem Edgar H. Schein, Professor für Organisationspsychologie und Management am MIT, Organisationskultur beschreibt. Nach Schein gliedert sich die Organisationskultur in drei Ebenen:
- Artefakte, z.B. sichtbares Verhalten, Gegenstände, Symbole und Zeichen,
- unterstützte Werte, nach denen man handelt, und
- geteilte Grundannahmen, z.B. über das Verhältnis zur Umwelt oder über Erfolgsfaktoren.
Alle Ebenen beeinflussen sich wechselseitig. Wir gehen daher von der These aus, dass wir mit sichtbaren Interventionen (zum Beispiel Culture Hacks) die sichtbare erste Ebene umgestalten können, um die Ebenen der Werte und der Grundannahmen zu beeinflussen.
2. Lean Change Cycle
Das Lean Change-Konzept von Jason Little überträgt die Prinzipien des Lean Thinking auf Verändungsprozesse. Das Verändungsprojekt wird als Abfolge abgegrenzter, leichtgewichtiger Experimente beschrieben, deren Ergebnisse jeweils den Zielrahmen für den nächsten Zyklus aufspannen. Jeder Zyklus umfasst die Phasen “Insights”, “Options” und “Experiments”. In der Phase “Insights” werden die Probleme der Ist-Lage ermittelt. In der Phase “Options” werden mögliche Lösungen entwickelt. In der Phase “Experiments” werden Lösungen umgesetzt und in Hinblick auf ihre Wirkung bewertet, so dass sie im nächsten Zyklus weiter optimiert werden können.
3. Value Proposition Canvas
Das Value Proposition Canvas ist das zentrale Werkzeug aus Alexander Osterwalders aktuellem Buch Value Proposition Design. Das Value Proposition Canvas setzt einen Zoom auf die Felder “Value Proposition” und “Customer Segments” des bekannteren Business Model Canvas und kombiniert diese mit dem Jobs-to-be-done-Framework, unter anderem bekannt von Clayton M. Christensen. Für unsere Session haben die Teams mit dem Value Proposition Canvas zunächst “Insights” zum Status Quo der Organisation ermittelt. Zu diesem Zweck haben wir das Value Proposition Canvas im Vorfeld leicht modifiziert. Der rechte Kreis unseres “Organizational Value Proposition Canvas”, im Original mit “Customer Jobs” beschrieben, wurde zum Feld für “Employee Jobs”. Und das linke Quadrat, normalerweise zuständig für das Produkt- oder Service-Angebot an den Kunden, beschreibt nun die Eigenschaften, Features und Services der Organisation, die dem Mitarbeiter angeboten werden, um seinen Job zu erfüllen.
4. Design Thinking-Innovationsmethode
Als viertes Konzept nutzen wir Design Thinking. Design Thinking ist eine Innovationsmethode, die sich durch Fokus auf Nutzerbedürfnisse, Ideenfindung im cross-funktionalen Team und Umsetzung von Lösungen in einfachen Prototypen auszeichnet. Im Design Thinking geht es immer darum, zunächst das Problem des Nutzers zu finden, bevor eine Lösung entwickelt wird. In unserem Set-up nutzen wir das Value Proposition Canvas, um die Problemfelder der Organisation zu identifizieren.
Die drei Schritte des Lean Change Cycle
Um Veränderung inkrementell und nachhaltig anzustoßen, schlagen wir drei Schritte vor, die dem Lean Change Cycle folgen:
Insights ermitteln
Im ersten Schritt füllt das betroffene Team in einer Workshop-Session das Value Proposition Canvas. Zunächst werden die Jobs ermittelt, die es aus seiner Jobrolle heraus zu erledigen hat, ergänzt durch die Pains und Gains, die jeweils damit verbunden sind. Danach sammelt das Team Eigenschaften der Organisation. Schließlich ermittelt das Team, ob diese Eigenschaften bereits als Pain Reliever oder Gain Creator wirken, oder ob sie womöglich gar keinen Bezug zu den Pains und Gains auf der Jobs-to-be-done-Seite aufweisen.
Optionen generieren
Im zweiten Schritt wechselt das Team in den Design Thinking-Modus. Die Insights zu den Ist-Eigenschaften der Organisation werden nach Relevanz priorisiert. Aus der Problemanalyse wird eine Design Challenge abgeleitet. Ausgehend von der Design Challenge, entwickelt das Team Lösungen, um die Organisation über Artefakte und Symbole zu beeinflussen. Ergebnis sind einfache, testbare Prototypen, zum Beispiel in Form von Culture Hacks, die als kulturelles “Poka Yoke” eine Verhaltensänderung anregen sollen.
Experimente ausführen
Die Lösungsansätze werden in einem Change Backlog gesammelt. Zu jeder Lösung wird ein Experiment entworfen, ausgeführt und ausgewertet - zum Beispiel im Rahmen eines Sprints. Die Insights aus dem Experiment gehen erneut in den Lean Change Cycle ein. Je nach Verlauf des Experiments wird die Lösung aufgegeben, pivotiert oder weiter entwickelt. Die Experimente sind in das Alltagsgeschäft der Beteiligten integriert - sie können beispielsweise als spezieller Track in Arbeitsprozessen mitgeführt werden, die auf Scrum basieren. Die Retrospektive dient dann als Forum, um die Wirksamkeit laufender Experimente zu prüfen und Entscheidungen für die nächsten Schritte zu treffen.
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Torsten Scheller (Sonntag, 08 März 2015 10:41)
Hallo,
interessanter Beitrag, vielen Dank. Würde gerne mehr dazu erfahren.
BTW:
>> Jobs-to-be-done-Framework, unter anderem bekannt von Clay Richardson.
meinen Sie vielleicht Clayton M. Christensen? Dieser ist doch eher für den Job-to-be-done Ansatz bekannt?
Viele Grüße,
Torsten Scheller